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Darf das sein? Von Beziehungsgestaltung und Möglichkeitsräumen.

Es gibt Ehen, die enden mit einer Affäre. Und es gibt Ehen, die mit einer Affäre beginnen.
Das ist das Leben. Facettenreich und bewegend.

Verliebt sein ist etwas Wunderbares, oder? Selten spüren wir uns so intensiv, fühlen wir uns derart lebendig, genießen das Leben so unbeschwert. Du erinnerst dich?
Aber sich verlieben, sich dieser Anziehung vielleicht sogar hinzugeben, hat seine Berechtigung anscheinend nur als Teenager, oder junger Erwachsener und ungebunden. Richtig?

 

Überraschung: In wen du dich wann verliebst lässt sich nicht vorherbestimmen!

So kann es dir durchaus passieren, dass du dich verliebst. Fremdverliebst. In einer Zeit in der du dir eigentlich sicher bist, die richtige Person fürs Leben bereits gefunden zu haben – und diese auch zu lieben.
Fakt am Rande: Das eine schließt das andere nicht aus. Aber Liebe ist wandelbar und multidimensional. Vielleicht ist es die unerwartete Liebe (Anziehung) auf den ersten Blick. Vielleicht auch die 1001te Berührung. Letztlich spielt das keine Rolle.

Fremdverliebt – und nun?

Es gibt zum einen die Möglichkeit diesem Impuls nicht weiter nachzugehen. Eine hilfreiche Strategie, wenn du nichts riskieren willst, was dir eigentlich guttut, du dich im Status quo sicher fühlst.

Vielleicht gibt es Kinder oder einen Kinderwunsch in deiner Ehe/Partnerschaft? Vielleicht ist dir das Ansehen durch andere gerade wichtiger als deine Bedürfnisse, oder du siehst deine Karriere gefährdet, wenn du deinen Gefühlen folgst? Möglicherweise gibt es Verpflichtungen (Firmenbeteiligung o. ä.), die du mit der Ehe/Partnerschaft eingegangen bist. Vielleicht spielt auch alles zusammen eine Rolle?
Alles legitime Gründe.

Diese sollten sich für dich allerdings richtig und gut anfühlen und nicht das Gefühl hinterlassen, etwas wichtiges zu vermissen oder ignorieren zu müssen.

 

Aber was, wenn dieses Gefühl nicht mehr verschwindet?

Wenn die Gedanken um die Person kreisen, obwohl zwischen den zufällig flüchtigen Begegnungen Wochen und Monate liegen? Es trotz aller räumlichen und zeitlichen Distanz bei jedem Wiedersehen oder Kontakt verdächtig in der Bauchgegend kribbelt?
Wie verrückt ist das denn eigentlich, ohne denjenigen/diejenige näher zu kennen? Ziemlich verrückt, würde ich sagen und auch ziemlich schön. Auf Dauer – ab ca. 6 Monaten, je nach Intensität – wahrscheinlich kräftezehrend, was an dem Hormoncocktail liegt, den unser Gehirn im Verliebtheitsstatus zusammenmixt.

Wie geht das nun weiter, im Leben mit deinem Partner/deiner Partnerin? Ansprechen? Verschweigen? Was ist richtig und was falsch? Wie sooft in Beziehungsfragen: Ein Patentrezept gibt es nicht!

 

“Das bist du mir schuldig!”

Bist du ihm/ihr nicht schuldig, dass du – wie auch immer – von diesen Gedanken und Sehnsüchten Abstand nimmst? Ist die Ehe nicht so, dass man sich nun mal entschieden hat, in guten wie in schlechten Zeiten, bis dass der Tod das Paar scheidet? Was macht eine gute Ehe/eine gute Partnerschaft aus? Die Dauer? Spoiler: Nein.

Tatsächlich ist das nur die kirchliche Sichtweise von Ehe. Das soll nicht heißen, stets bei jedem Anflug von Verliebtheit die Scheidungspapiere heraus zu kramen.

Aber es meint, sich genauer mit sich selbst zu beschäftigen. Warum fühlst du dich in dessen/deren Gegenwart so? An was denkst du in Bezug auf die Person, was „triggert“ dich, macht deine Begeisterung aus? Das Aussehen, die Art wie er/sie sich mitteilt, Geruch, Gesten, das Auftreten, alles zusammen, …?

Welche Bedürfnisse wurden aufgeweckt, die du längst nicht mehr beachten wolltest? Kann und willst du diese vernachlässigen? Hast du dieses Bedürfnis oder diese Bedürfnisse von dir überhaupt schon einmal bewusst wahrgenommen? Es gibt noch eine Vielzahl an Fragen, mit denen du dir sorgsam selbst begegnen kannst, um zu ergründen was da gerade in dir los ist.

 

Beziehung – ein fortwährender und dynamischer Prozess.

Betrachtest du die Ehe oder auch dauerhafte Partnerschaft als dynamisches Gefüge, das in einem fortwährenden Prozess seine Stabilität findet, wird schnell klar, dass „in guten wie in schlechten Zeiten, bis das der Tod uns scheidet“ wesentlich vielschichtiger ist als die Kirche und die junge, romantische Vorstellung von Ehe und Liebe dir und mir das glauben machen will.
Sehen wir die Ehe oder eheähnliche Partnerschaft als das was sie ist:

Beziehung.

Genau für diese Beziehung übernimmst du die Verantwortung – mit Trauschein, Ring oder ohne! Stets schuldfrei, dafür mit Respekt und Achtung voreinander.
Das heißt genauer: Verantwortung dafür, wie du/ihr – zunächst jeder einzelne von euch – diese Beziehung gestaltet, was ihr zu investieren bereit seid, was ihr zu riskieren bereit seid. Wie ihr euch gegenüber verhaltet. Wie ihr mit Nähe und Distanz, Wünschen und Bedürfnissen umgehen könnt, ob und wie ihr dies zum Ausdruck bringt. Wie ihr euch begegnet. Vielleicht ja achtsam und authentisch?

Aber du entwickelst dich auch innerhalb dieser Beziehung und reifst. Gemeinsam mit deiner Partnerin/deinem Partner und jede/r für sich. Im Idealfall zeigst du dich wie du bist. Mit allem, was dich bewegt und bist angenommen.
Du bist in der Lage dich abzugrenzen und kannst deine Gefühle und Bedürfnisse mitteilen – ohne zu verletzen oder zu kränken. Auch wenn das trotz aller Bemühungen vielleicht nicht ausbleiben mag. Du kannst Nähe zu lassen. Du akzeptierst, dass das, was du tust deinem Partner/deiner Partnerin vielleicht missfällt und schmerzt. Das ist in Ordnung, wenn auch nicht leicht auszuhalten.

Beziehung. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger!

Du akzeptierst, dass dein Gegenüber daraus für sich selbst Entscheidungen trifft, in sich “hinein hört”, fühlt und seine Bedürfnisse erspürt, vielleicht auch Wut, Trauer und Eifersucht zeigt. Das ist auch ihr oder sein gutes Recht.
Dieser Teil, Differenzierung genannt, ist ein wichtiger Prozess in deiner Partnerschaft/Ehe und er schafft wortwörtlich auch wieder Nähe zwischen euch, selbst wenn diese sich dann vielleicht anders anfühlt, als du und er/sie das bisher gewohnt seid.

Wenn du dich fremdverliebst, liegt es also zunächst an dir, wie du damit umgehst. Niemand darf von dir verlangen, dass du dieses Gefühl ignorierst. Gerade wenn es sehr lange anhält ist es u. U. von Bedeutung.

 

Ein Date kann Klarheit schaffen.

Vielleicht kannst du auf dein Herz hören und zumindest eine Verabredung zu ein oder zwei Kaffee o. ä. versuchen. Ganz unverfänglich. Nebenbei gesagt ist das sehr mutig, in vielerlei Hinsicht. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass dein ersuchen abgelehnt wird. Manchmal, – gar nicht so selten – „heilt“ auch der Realitätscheck Verliebtheit. Zum Beispiel weil wir den/die Gegenüber dann doch nicht so spannend finden oder mit der Art nicht zurechtkommen. Die Begeisterung für die Person schwindet ggf., ohne in eine tiefere Liebe überzugehen.

Manchmal ergibt sich daraus aber auch etwas Längerfristiges, das dann durchaus seine Berechtigung hat. “Es ist was es ist.”, sagt bekanntlich das Herz. Das Ende – nicht vorhersagbar.

 

Und dann ist es doch Liebe.

 

Möglicherweise hattest du die “Liebe deines Lebens” bisher einfach noch nicht kennengelernt – alles braucht seine Zeit.

Bedeutet dies nun gleichsam das Ende für deine Ehe/Partnerschaft?

Ja. Nein. Vielleicht. Von hier aus lässt sich nichts voraussagen.

An diesem Punkt gibt es für dich und euch immer noch viele Möglichkeiten: Wie gehst du in deiner Ehe/Partnerschaft mit diesen neuen Gegebenheiten um? Wie gestaltet ihr eure Beziehung weiter? Was ist gerade jetzt jedem von euch wichtig? Was braucht jeder einzelne von Euch? Fühlt ihr euch noch verbunden? Wie war das Zusammenleben bisher? Gemeinsamkeiten? Zukunftspläne?

Wichtig: All das zu klären und zu erfahren braucht ausreichend Raum und Zeit.

Daher mein Tipp: Lass dich und lasst euch nicht drängen. Vor allem nicht von Außenstehenden.

Sei also behutsam, mit dir selbst und mit deiner Partnerin/deinem Partner. Verlange dies ggf. auch von deiner neuen Liebe – es ist nicht ihre/seine Aufgabe und ihr/sein Recht sich in deine ehelichen / partnerschaftlichen Angelegenheit einzumischen.  Diese Klärungsprozesse stehen dir bzw. euch allein zu. Das sollte von beginn an klar sein.

Zusammenfassung? Gerne:

  • Dafür, dass du dich verliebst, kannst du nichts.
  • Wie du damit umgehst allerdings schon.
  • Kernfragen: Was willst du? Was brauchst du? Was fühlst Du?
  • Das Leben will gelebt werden. Mit allen Facetten.
  • Lebendigkeit entsteht im Fühlen, auch wenn es schmerzhaft ist.
  • Schuldzuweisung schließt Möglichkeitsräume. – Verantwortungsübernahme öffnet Möglichkeitsräume.
  • Für die Erfüllung deiner Bedürfnisse bist allein du verantwortlich. Niemand sonst kann das übernehmen.
  • Du und dein Partner/deine Partnerin fühlen sich im Prozess sicher, gesehen und wertgeschätzt, könnt euch einbringen und darstellen was ihr braucht, was euch wichtig ist. Ihr entwickelt eure Beziehung gemeinsam weiter und jede Richtung ist denkbar.

 

Das gute Ende sieht nicht immer so aus, wie dein Umfeld sich das vorstellt.

Aber das macht nichts. Nur für dich und euch (und ggf. Kinder) muss es so gut wie möglich sein. Sonst für niemanden. Und ja, das ist nicht immer machbar, aber einen oder mehrere Versuche wert.

Melde dich gerne bei mir, wenn du das Gefühl hast keine Möglichkeiten zu haben oder mit deinen Gedanken und Ideen alleine nicht weiterzukommen.
Auch oder gerade die Liebe verlangt oft eine Klarheit, die nicht einfach zu erreichen ist.

 

Lass es Dir gut gehen.

 

PS: Vielleicht vermisst du in meiner Ausführung die ein oder andere Herangehensweise. Hervorragende Paartherapeuten haben ganze Bücher zum Thema Liebe, Begehren, Leidenschaft, Partnerschaft, Affären und Fremdgehen geschrieben. Ich kann hier nur einen kleinen Ausschnitt dessen beleuchten und meine Haltung zum Thema darstellen.

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